Die 2022 gegründete Building-SMART-Regionalgruppe Thüringen hat sich zum Ziel gesetzt, die Einführung und Verfestigung der BIM-Methodik in der Region voranzutreiben, Grundlagen und Workflows zu vermitteln und vor allem den Nutzen und die Mehrwerte der BIM-Methodik und der Digitalisierung für die Bereiche der Wertschöpfungskette Bau aufzuzeigen. Bei ihrer Jahresveranstaltung am 28. September 2023 in der Fachhochschule Erfurt standen die Themen Digitalisierung, Fachkräftemangel und Künstliche Intelligenz im Fokus.
In ihren Eröffnungsworten betonte die Vizepräsidentin des Thüringer Landesamtes für Bau und Verkehr, Dr. Eva Kasper, die Bedeutung von BIM für die Digitalisierung des Bauwesens. Sie kündigte an, dass das Landesamt BIM im Hoch- und Tiefbau stärker einsetzen wolle. Erste Maßnahmen erfolgen im Bereich Hochbau und Zuwendungsbau.
Der Präsident der Fachhochschule Erfurt, Prof. Dr. Frank Setzer, sprach in seinem Grußwort über den Fachkräftemangel in der Baubranche. Die Hochschulen legen einen Grundstein, weil die Digitalisierung und die Nutzung von BIM bereits im Studienalltag integriert werden. Er forderte kleine und mittelständische Unternehmen auf, sich bereits frühzeitig an den Hochschulen zu präsentieren, um eigenen Nachwuchs zu gewinnen. Es ist Alltag, dass große Firmen, die Studierende von Anbeginn begleiten und so Absolventen vom Thüringer Arbeitsmarkt abwerben.
Im ersten Impulsvortrag referierte Prof. Dr.-Ing. Jürgen Melzner, Bauhaus-Universität Weimar, zum Thema BIM und Lean Construction Management (kurz: Lean) als Schlüssel zur Baustelle 4.0. Nach seiner Auffassung sind beide Methoden unverzichtbar, um Bauprojekte erfolgreich abzuschließen. Die Unternehmen müssen sich jetzt Gedanken machen, um in Zukunft nicht abgehängt zu werden.
„Das elektrische Licht wurde nicht
durch die Weiterentwicklung von Kerzen erfunden“
Melzner verglich den Wandel der Baubranche mit dem in anderen Branchen. So wurden beispielsweise Vorreiter im Bereich Reisen, wie TUI oder Thomas Cook, durch Onlineangebote, wie airbnb oder Expedia, ausgebremst. Er mahnte an, dass es auch in der Baubranche einen Wandel geben wird, sie aber derzeit auf folgende Problemfaktoren stößt, die die Effizienz einschränken.
Faktor Mensch: Fachkräftemangel und personenabhängige Arbeitsproduktivität.
Faktor Technik: Art des Bauens ist seit Jahrzehnten gleich, es fehlt eine „Industrialisierung“. Andere Bauweisen („Stichwort Betondrucken“) und effiziente/digitale Antragsprozesse/-prüfungen fehlen.
Faktor Kosten: 60 % Preissteigerungen im Bereich der Baukosten seit 2005. Hohe Effizienzverluste durch Fehlerkosten im Baubereich bei etwa 12,5 %,
Faktor Nachhaltigkeit: 30 % des CO2 Ausstoßes werden durch die Baubranche vor allem im Neubau erbracht. Es muss viel mehr recycelt werden, dafür braucht es allerdings Technologien, damit sich der Kreislaufwirtschaft weiter angenähert werden kann, um bspw. Altbestände zu digitalisieren.
BIM und Lean Construction Management können dazu beitragen, die Herausforderungen zur Effizienzsteigerung der Baubranche zu bewältigen.
Die beiden Methoden haben das Ziel, mit Hilfe von BIM das „perfekte Produkt“ und mit Lean den „perfekten Prozess der Umsetzung“ zu generieren. Zur Erklärung: Lean Construction ist eine Managementphilosophie für die Bauindustrie, die darauf abzielt, Verschwendung zu minimieren, Effizienz zu steigern und Kundenwert zu maximieren. Ziel ist es, Bauprojekte effizienter und kundenorientierter zu gestalten.
Beim zweiten Impulsvortrag referierte Michel Jahn von Allplan Deutschland GmbH zum Thema: Werden wir unsere Brücken zukünftig von Künstlichen Intelligenzen (KI) planen lassen?
Er ging dabei der Frage nach, ob KI in Zukunft dazu beitragen kann, den Neubau und die Sanierung von Brücken in Deutschland zu beschleunigen.
In Deutschland stehen derzeit rund 12.000 Brücken vor der Sanierung oder dem Neubau. Dies stellt einen hohen Investitionsdruck dar. Jahn betonte, dass BIM ein wichtiges Werkzeug für die effiziente Planung und Durchführung von Brückenprojekten ist. BIM liefert nicht nur hohe Effizienz beim Planen sondern schafft ein verbessertes Situationsbewusstsein auf allen Entscheidungsebenen und kann helfen, diesen Prozess zu
unterstützen. Ein digitales Bestandsmodell für Brücken ist notwendig, um eine effektive und langfristige Sanierungsstrategie zu entwickeln Es ermöglicht die präzise Planung von Instandhaltungsmaßnahmen und die Optimierung von Wartungsprojekten. BIM bietet die Möglichkeit, den Zustand der Brücken und ihrer Bauteile besser zu dokumentieren und im Kontext zu evaluieren, ohne vor Ort sein zu müssen.
BIMKIT: KI-gestützte Bestandsmodellierung
Jahn stellte das Forschungsprojekt BIMKIT vor. Das Ziel des Forschungsprojekts BIMKIT ist es, KI-Verfahren zu entwickeln, die durch maschinelles Lernen Rohdaten verarbeiten, und daraus BIM Bestandsmodelle zu generieren und zu optimieren.
Die generierten Bestandsmodelle bieten Planern, Betreibern und Nutzern zahlreiche Vorteile, darunter:
• Effizientes Gebäudemanagement: Die Modelle können zur Planung von Instandhaltungsmaßnahmen und zur Optimierung von Wartungsprojekteneingesetzt werden.
• Erhaltung von Bauwerken: Die Modelle ermöglichen eine genauere Beurteilung des Zustands von Brücken und ihrer Bauteile.
Jahn beantwortete die einleitende Frage mit einem „Ja“, allerdings denkt er, dass die Generierung von KI-Services als Sammlung von anpassbaren KI-Tools, APIs (Programmierschnittstellen) und Modellen in Zukunft bereitstellt.
Die Impulsvorträge zeigten, dass BIM-Methoden großes Potenzial für die Digitalisierung des Bauwesens bieten. Sie können dazu beitragen, Bauprojekte effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten.
Nach einer kurzen Pause teilten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf verschiedene Roundtables mit Impulsvorträgen auf.
Angeboten wurden folgende Themen:
• Roundtable Green BIM
Wie kann die Planungsmethode BIM bei der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz im Bauwesen hilfreich sein?
• Roundtable Heritage BIM
BIM im Bestand und der Denkmalspflege
• Dr. BIM Sprechstunde
Offene Fragerunde zum Thema BIM