Unter dem Motto „Die Vergabe von Planungsleistungen in der Praxis“ haben die Architektenkammer Thüringen und die Ingenieurkammer Thüringen am 8. Juni 2023 in das Collegium Maius in Erfurt eingeladen, um den Austausch zum Thema „Wettbewerb und Vergabe“ zu befördern.
Die Veranstaltung richtete sich an die öffentliche und die private Auftraggeberseite, das Klientel der Verfahrensbetreuung und natürlich an den Personenkreis, der sich im Rahmen seiner Berufsausübung an Vergabeverfahren beteiligt. Die Zielstellung bestand darin, ein Forum für Planerinnen und Planer sowie für Praktikerinnen und Praktiker aus den öffentlichen Vergabestellen zu bieten, d. h. den Informations- und Erfahrungsaustausch zu aktuellen Entwicklungen im Vergaberecht zu intensivieren, zum Wettbewerbswesen und dessen Handhabung ins Gespräch zu kommen und Verfahrensgestaltungen zu diskutieren, die sich an qualitativen Kriterien orientieren und damit eine exzellente Bauqualität ermöglichen.
Das Interesse an der Themenbefassung kann vielleicht dadurch veranschaulicht werden, dass diese vergaberechtliche Fachveranstaltung zu einem Hybridformat erweitert werden musste, da die Nachfrage das vorhandene Kontingent für die Präsenzteilnahme deutlich überschritten hat.
Bei der Begrüßung des Auditoriums ging der Präsident der Architektenkammer Thüringen, Herr Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt, kurz auf die aktuellen Herausforderungen ein, die mit den Themen Wettbewerb und Vergabe verbunden sind und prognostizierte, dass die abzusehende Umsetzung europarechtlicher Vorgaben in Bundes- und Landesrecht nicht dazu beitragen wird, die bürokratischen Anforderungen, die an die überwiegend kleinteilig geprägte Bürostruktur im Vergabebereich gestellt werden, zu entschärfen.
Entsprechend des aufgerufenen Themengegenstandes haben Herr Dipl.-Ing. Thomas Wittenberg (Vorsitzender Vergabe- und Wettbewerbsausschuss der Architektenkammer Thüringen | Vizepräsident der Architektenkammer Thüringen) und Herr Dipl.-Ing. Thomas Haustein (Vorsitzender des Arbeitskreises Wettbewerb und Vergabe der Ingenieurkammer Thüringen) die Veranstaltung moderiert.
Nachfolgend wird ein kurzer Überblick zu den Referaten gegeben, die im Rahmen des Thüringer Vergabetages 2023 gehalten wurden.
Herr Dipl.-Ing. Peter Kalte (GHV Güte- stelle Honorar- und Vergaberecht e. V.) hat seine Ausführungen unter den Titel „Zum korrekten Umgang mit Honorarangeboten unterhalb der HOAI-Basissätze“ gestellt. Basierend auf der Tatsache, dass sich Vergaben an der HOA orientieren können, aber leider nicht mehr müssen, wurde u. a. darauf eingegangen, welche „Flexibilität“ die seit 1. Januar 2021 gültige Novelle der Honorarordnung hinsichtlich der Vertragsgestaltung nunmehr zulässt. Die Thüringer Regelung, dass das Thüringer Vergabegesetz nicht auf die Vergabe von Leistungen anzuwenden ist, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden (hier: § 1 Abs. 3 Nr. 3 ThürVgG), legt die Einschätzung nahe, dass Berufsstandsinteressen diesbezüglich keine Unterstützung erfahren. Generell kommt für Planungsdienstleistungen § 50 UVgO zur Anwendung, der vorschreibt, so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts möglich ist. Im Hinblick darauf, dass der Sachverhalt „ungewöhnlich niedriges Angebot“ im Vergabebereich nicht nur vereinzelt zur Debatte steht, nahm Herr Peter Kalte entsprechende Einordnungen vor und stellte fest, dass die Honorartafeln der HOAI dazu beitragen, Transparenz und Vergleichbarkeit zu erhalten, was letztendlich die Voraussetzung da- für ist, Angebote prüfen zu können. Die Möglichkeit der Gewährung von Zu- und Abschlägen erhöht jedoch die Komplexität der Angebotsprüfung zusätzlich und führt dazu, die Ermittlung des angemessenen Honorars noch anspruchsvoller zu gestalten. Grundsätzlich sind jedoch bei Angeboten unterhalb der Honorartafeln Zweifel an der Qualität der angebotenen Leistung angebracht. Ein Aspekt der Schlussbetrachtungen seines Vortrages, nämlich dass die Planenden die Zukunft der Preisgestaltung selbst bestimmen können, kann vielleicht in die Rubrik „Binsenwahrheiten“ verwiesen werden. Frau Dipl.-Ing. Sylvia Wagner (Leiterin Abteilung Bauten und Gärten, Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten) widmete sich in ihrem Vortrag der „Best Practice Vergabe von Planungsleistungen“. Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wurde 1994 durch den Freistaat Thüringen gegründet und ist als Stiftung öffentlichen Rechts sowohl Eigentümerin, Bauherrin als auch Nutzerin und Vermieterin von Liegenschaften. Die Kernaufgabe der Stiftung besteht darin, die anvertrauten Kulturdenkmale zu erhalten und zu pflegen sowie baulich, konservatorisch, restauratorisch instand zu setzen und der denkmalgerechten öffentlichen Nutzung zuzuführen. Der Stammhaushalt der Stiftung beträgt ca. 5 Millionen Euro pro Jahr, wobei ein gegenwärtig zur Verfügung stehende Sonderinvestitionsprogramm ein Bauvolumen im Umfang von 260 Millionen ermöglicht (u. a. Schloss Friedenstein). Durchschnittlich werden pro Jahr ca. 50 Vergaben nach HOAI-Leistungen durchgeführt. In den Jahren 2022 und 2023 werden im Unterschwellenbereich ca. 100 freiberufliche Planungsleistungen vergeben. Dem stehen 20 Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich gegenüber. Die Unterschwellenvergaben finden in der Regel als Leistungswettbewerb mit mindestens drei Bewerbern statt, wobei der wirtschaftliche und sparsame Einsatz von Haushaltsmitteln im Fokus steht und selbstverständlich den allgemeinen Vergabegrundsätzen Rechnung getragen wird. Bei der Vergabe von Planungsleistungen oberhalb des EU-Schwellenwertes wird die Leistung teilweise unter Einbindung einer externen Verfahrensbetreuung ausgeschrieben. Der Anspruch der Bauherrin besteht dabei darin, die Aufgabenstellung für die Planungsaufgabe präzise zu formulieren, d. h. das Planungsziel, den Leistungsumfang, den Kostenrahmen, Fristen und Termine, die Honorarzone sowie insbesondere die Eignungs- und Zuschlagskriterien planungsbezogen und belastbar festzusetzen. Herr Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt und Herr Dipl.-Ing. Thomas Wittenberg nahmen unter der Überschrift „Vergabe von Planungsleistungen – Möglichkeiten und Grenzen“ eine berufspolitische Einordnung der Vergabethematik vor und gingen dabei auch auf die Vor- und Nachteile einzelner Vergabeprozedere ein. Die Absicht der Bundesregierung, das Vergaberecht derart anzupassen, dass künftig alle Planungshonorare zusammenzurechnen sind (Bezug: § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV), birgt die realistische Gefahr, dass planungsspezifische Auftragsvergaben durch Generalübernehmervergaben bzw. Totalübernehmervergaben ersetzt werden. Eine resultierende Überforderung kommunaler Vergabestellen erscheint zwangsläufig und eine Existenzbedrohung der mittelstandsgeprägten Planungswirtschaft (Kleinst- und Kleinunternehmen), diese für Deutschland charakteristische Konstellation im Planungsmarkt hat sich gerade in Krisenzeiten als überaus resilient erwiesen, ist naheliegend. Es wird deutlich, dass eine Anhebung des Schwellenwertes (momentan: 215.000 Euro für Planungshonorare) überfällig ist, denn in Analogie müssten in diesem Kontext Bauvorhaben ab einem Bauleistungsumfang von ca. 860.000 Euro (netto) EU-weit ausgeschrieben werden. Der dafür geltende Schwellenwert beträgt jedoch 5.382.000 Euro. Da vom Gesamtauftragswert die Leistungsbilder für Planung bis zu 25 Prozent betragen können, ist mathematisch leicht zu erfassen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Schwellenwerten (Planung | Bauleistung) mehr als unausgewogen ist. Nach dem Wegfall der verbindlichen Mindestsätze der HOAI ist es mehr denn je angezeigt, bei der Vergabe die Regeln des Leistungswettbewerbs nicht zu vernachlässigen, denn die öffentliche Auftragsvergabe sollte angemessen an Qualitätskriterien ausgerichtet sein, auch um letztendlich einordnen zu können, welches Angebot das wirtschaftlich günstigste ist.
Herr Thomas Kaminski (Bürgermeister der Stadt Schmalkalden) vermittelte in seinem Vortrag „Best Practice Planungswettbewerb“ einen Eindruck davon, welche Herausforderungen an die kommunale Ebene bei der Vergabe von öffentlichen Leistungen, hier insbesondere bei der Auftragsvergabe oberhalb des EU-Schwellenwertes, gestellt werden.
Ein gerichtssicheres Agieren wird als wesentlich angesehen und es erscheint naheliegend, dass kleine Kommunen bei anspruchsvollen europaweiten Ausschreibungen schnell an ihre Grenzen gelangen können. Herr Thomas Kaminski ordnete den Planungswettbewerb als geeignetes Format ein und untersetzte das an dem Beispiel „Stadionumbau in der Stadt Schmalkalden“ (nichtoffener interdisziplinärer Realisierungswettbewerb mit Ideenteil | Einbindung eines wettbewerbsbetreuenden Büros).
Schmalkalden selbst hat seit 2006 vier Planungswettbewerbe durchgeführt, wobei die positiven Erfahrungen überwiegen. Vorteile des Wettbewerbsformats sind dabei, dass unterschiedliche Ideen eingereicht werden, aus denen ausgewählt werden kann, durch ein interdisziplinär besetztes Preisgericht werden zudem subjektive Beurteilungen weitgehend ausgeschlossen und innovative Projektrealisierungen gefördert, es wird zur Chancengleichheit beigetragen, denn auch junge und kleine Büros werden in das Verfahren einbezogen, und nicht zuletzt wird durch die überörtliche Kommunikation zum Projekt die öffentliche Wahrnehmung des gesamten Beteiligtenkreises befördert. Basierend auf der RPW und unter Würdigung der Empfehlung des Preisgerichtes hat die Stadt Schmalkalden mit dem ersten Preisträger ein Verhandlungsgespräch geführt und diesem anschließend die weitere Bearbeitung gemäß HOAI übertragen. Am Ende seiner Ausführungen schätzte Bürgermeister Kaminski ein, dass Wettbewerbsverfahren vielleicht als Spagat zwischen der Notwendigkeit der Festsetzung konkreter Vorgaben und der Gewährung des erforderlichen planerischen (kreativen) Freiraums gesehen werden können, d. h. verbindliche Randbedingungen müssen formuliert werden, ohne sich jedoch zu restriktiv auszuwirken.
Die Architektenkammer Thüringen und die Ingenieurkammer Thüringen streben an, dieses Veranstaltungsformat fortzusetzen, um über aktuelle Herausforderungen für Wettbewerbe und Vergaben zu informieren. Insbesondere die Möglichkeit, dass sich Auftraggeber und Auftragnehmer sowohl in offener Diskussion als auch im persönlichen Gespräch austauschen können, wird als zweckmäßig angesehen.
Dr.-Ing. Rico Löbig
Ingenieurkammer Thüringen
Foto: Björn Radermacher, Architektenkammer Thüringen