Auszug: Broschüre Thüringer Staatspreis 2011
Kirchturmhaube in Kleinneuhausen prämiert
Am 3. November 2011 haben Minister Christian Carius, Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) und der Präsident der Ingenieurkammer Thüringen (IKT), Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Ulrich Mönnig, den Thüringer Staatspreis für Ingenieurpreis 2011 verliehen.
Preisträger 2011 ist das Ingenieurbüro Dr. Hans-Reinhard Hunger aus Weimar für den Neuaufbau der Kirchturmhaube in Kleinneu-hausen. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis wird mit einem unverwechselbaren Projekt der Ingenieurleistung im ländlichen Raum begründet. Eine mit 3.000 Euro dotierte Anerkennung erhielt das Ingenieurbüro Kleb GmbH aus Erfurt für den Neubau einer Fußgängerbrücke über die Bahnanlage in Il-menau. Die zweite mit 2.000 Euro dotierte Anerkennung ging an das Ingenieurbüro Dr. Krämer GmbH aus Weimar für ingenieurtechnische Leistungen beim Neubau der Vogtlandhalle in Greiz. Minister Carius dankte allen Preisträger für ihr beispielhaftes Engagement.
Neuaufbau der Kirchturmhaube
zu Kleinneuhausen
Bauherr:
Evang.-Luth. Kirchgemeinde Klein neu hausen
Ringstraße 69, 99625 Kleinneuhausen
Tragwerksplaner/Entwurfsverfasser:
Ingenieurbüro für Tragwerksplanung
Dr.-Ing. Hans-Reinhard Hunger
Steubenstraße 35a, 99423 Weimar
Zimmererbetrieb:
Bauunternehmen Pfeiffer
Hauptstraße 27, 99439 Berlstedt
Jurybeurteilung:
„Kirchengebäude sind in der Regel Unikate und gelten insofern als besondere Bauwerke mit historischem Hintergrund. Dabei wurden im Zuge der Errichtung Baustoffe verwendet, die in den einzelnen Regionen vorhanden waren. Die Errichtung derartiger Bauwerke ist als ingenieurtechnische Meisterleistung zu bezeichnen. Gleiches gilt für Sanierung und Erhalt.
Die Turmhaube der Kirche zu Kleinneuhausen ist ebenfalls, wie bereits erwähnt, nicht nur aus gestalterischer Sicht, sondern auch hinsichtlich der Konstruktion und der Errichtung im Zuge des Baus der Kirche als Unikat zu betrachten. Für den Neuaufbau der Turmhaube war es erforderlich, die vorgegeben historischen Formen aufzunehmen und umzusetzen.
Die neue Turmhaube musste der alten bis ins Detail gleichen. Zu den ingenieurtechnischen Besonderheiten gehört, neben der Beibehaltung der äußeren Form, die Verwendung von unterschiedlichen Hölzern wie Eiche, Lärche, Fichte und Brettschichtholz für die unterschiedlichen Belastungsarten aus Biegung, Druck und Zug. Neben statischen ergeben sich hier durchaus auch wirtschaftliche Vorteile.
Eine weitere ingenieurtechnische Besonderheit besteht darin, dass die Turmhaube nicht rein zimmermannsmäßig auf dem Turm errichtet, sondern auf einer Montageebene neben der Kirche vorgefertigt wurde, um sie dann mit einem Kran in zwei Abschnitten aufzusetzen und zu montieren. Dieser Lastfall (Aufnahme von Kräften aus Zug) ist zusätzlich zu berücksichtigen.
Daneben ist eine ingenieurtechnische Besonderheit die Planung des Befestigungssystems auf dem Turm, die die Verwendung von Stahlsonderteilen erforderlich machten. Neben dem statischen Nachweis für derartige Sonderbauteile ist hier die Planung der Bauausführung hervorzuheben. Hierzu gehört die Festlegung der Anschlagpunkte, um einerseits die statischen Rahmenbedingungen einzuhalten und andererseits die Montage überhaupt zu realisieren. Die Anschlagpunkte müssen dort liegen, wo die Begehbarkeit (ggf. unter engsten räumlichen Bedingungen) überhaupt möglich ist und ein Kraftschluss zwischen Turm und Turmhaube hergestellt werden kann (Anbringen von Befestigungsmitteln aus Schrauben und
Muttern).
Neben den ingenieurtechnischen Besonderheiten ist diese Turmhaube als einmaliges Projekt zu betrachten, da sie hinsichtlich der Beibehaltung der äußeren Form und der konstruktiven Eigenschaften nur zur Kirche in Kleinneuhausen passt. Durch den Neubau der Turmhaube wird die historische Besonderheit des Bauwerkes nicht beeinflusst.
Eine reine Kopie dieser Planungen, insbesondere der statischen Rahmenbedingungen, wäre selbst bei ähnlichen Projekten nicht möglich. Derartige Planungen sind nicht auf andere Projekte übertragbar und insofern nicht standardisierbar.“