Unter Federführung von Prof. Dr. Ing. Dr. jur. Horst G. Rustmeier; LL.M. von der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. jur. Andreas Jurgeleit, Richter am BGH und Prof. Dr. jur. Lars Klöhn fand zum 4. Mal diese Veranstaltung im großen Senatssaal der Humboldt-Universität Berlin statt. Leicht dezimiert war die Anzahl der Teilnehmer aufgrund des Warnstreiks der GDL, aber dennoch gut besucht.
In Vertretung von Bundesbauministerin Clara Geywitz übernahm Ministerialdirektor Dirk Scheinemann das Grußwort und brachte Impulse zu baupolitischen Erwägungen zur Sprache, die einen passenden Auftakt für die folgenden Vorträge bildeten.
Danach wurde die „Neueste Rechtsprechung des BGH zum Architekten- und Ingenieurrecht“ anhand eines aktuellen Urteils vom 9. November 2023 – VII ZR 190/22 durch Prof. Dr. jur. Andreas Jurgeleit, Richter am BGH im VII. Zivilsenat (Bausenat) beleuchtet. Das Urteil betrifft das Haftungsrisiko eines Architekten, der unter Missachtung des Rechtsdienstleistungsgesetzes einen Mustervertrag weitergegeben hatte. Es entstand ein Schaden durch eine unwirksame AGB-Klausel, den die Berufshaftpflicht für Architekten wohl nicht abdecken wird. Von der Zurverfügungstellung entsprechender Vertragsunterlagen sollte deshalb nicht nur Architekten, sondern allen Planern, insbesondere also auch Ingenieuren und qualifizierten Vergabeberatern dringend abgeraten werden.
Zu „Gebäudetyp E – Chance und Herausforderung“, referierten Prof. Dr. jur. Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Rechtsanwalt Dr. jur. Achim Olrik Vogel aus München und Frau Ahus von der Bundesarchitektenkammer die Spannungsfelder zwischen dem Bedürfnis experimenteller und einfacher zu bauen und sich doch noch in den Grenzen des rechtlich Möglichen zu bewegen. Insofern ist der Gebäudetyp E nach einhelliger Meinung der Referenten nach wie vor eine Option für einen eingeschränkten Adressatenkreis mit viel Erfahrung, aber keine Lösung für alle Bauherren.
In der Podiumsdiskussion nach der Mittagspause zum Thema „Nachhaltiges und bezahlbares Bauen“ griffen die Referenten zum Gebäudetyp E, zusammen mit Architekt Prof. Behnisch, der in Boston, München und Stuttgart lehrt, das Problem erneut auf und warfen diese Spannungsfelder noch einmal für alle in den Ring. Unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. Horst G. Rustmeier wurde deutlich, dass ein gemeinsames Konzept gebraucht wird, dass die Bedürfnisse der Praxis von Architektinnen und Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren berücksichtigt und die rechtlichen Gegebenheiten sowohl ausschöpft als auch eine gemeinsame Stimme bildet, um Veränderungen zu bewirken.
Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Heiko Fuchs aus der Kanzlei Kapellmann in Mönchengladbach referierte zusammen mit Dipl. Ing. Klaus D. Abraham, Vorstandsvorsitzender des AHO zur „HOAI – Reformdiskussion aus erster Hand“. Beide Referenten begleiten diverse Arbeitskreise, die sich mit der Angemessenheit der in der HOAI abgebildeten Honorare auseinandersetzen.
Zuletzt warf Prof. Dr. jur. Wolfgang Voit von der Philipps-Universität Marburg die aktuelle Rechtsfrage auf, ob digitale Bauunterlagen von Architekten unter die sehr weite Haftung der Produkthaftungsrichtlinie fallen werden, wie es der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission zumindest in der deutschen Fassung vorsieht. Das Problem stellt sich bei den Ingenieuren in gleicher Weise – oder es stellt sich hoffentlich nicht, weil die Formulierungen noch angepasst werden.
Die Grundproblematik wird aber auch dann bleiben: Durch die neuen technischen Möglichkeiten verschwimmen die Grenzen zwischen Produkt und geistiger Leistung. Damit wird es schwieriger werden, die strenge Produkthaftung auf die Produkte zu beschränken, und es besteht die Gefahr, dass diese Haftung auf die Entwickler und Planer ausgedehnt wird.
Cornelia Lehmer
Referentin Kammerrecht
Ingenieurkammer Thüringen