Was sind die Pläne des neuen Vorstands?
Beisitzer Herr Dr. -Ing. Marko Brossmann im Interview
1. Welche Gründe haben Sie bewogen, zu kandidieren?
Ich bin Ingenieur mit Leib und Seele und übe meinen Beruf mit großer Freude und stets einer guten Portion Optimismus
aus. Seit 2013 bin ich als Beratender Ingenieur Mitglied der Ingenieurkammer Thüringen und begleitete von 2019 bis 2024 das Amt des Rechnungsprüfers.
Mein Engagement für unseren Berufsstand empfinde ich als selbstverständlich und kann dies als Vorstandsmitglied
nun weiter vertiefen. Bei den Mitgliedern der Vertreterversammlung bedanke ich mich herzlich für die Wahl und das mir entgegengebrachte Vertrauen.
2. Welche Themen sind Ihnen bei der Ausübung des Ehrenamtes besonders wichtig? Welche Impulse möchten Sie in der Vorstandsarbeit setzen?
Die allgemeine demografische Entwicklung spiegelt sich auch in unserer Mitgliederstruktur wieder. Während der Anteil sehr erfahrener, freiberuflich tätiger
Berufskollegen vergleichsweise groß ist, besitzt bei den Nachwuchsingenieurinnen und -ingenieuren das Angestelltenverhältnis erkennbar größere Attraktivität. Dieser
Entwicklung wird wohl sehr schwer entgegen zu wirken sein. Die herausfordernde Aufgabe, auch zukünftig eine solide Mitgliederzahl zu erhalten, ist also schwer zu verkennen.
Mir erscheint es geboten, die Konditionen für die Mitgliedschaft in der Ingenieurkammer zu überdenken, insbesondere für Ingenieurinnen
und Ingenieure im Angestelltenverhältnis. Letztlich bilden die Mitglieder, ob nun selbständig oder angestellt tätig, das Rückgrat unserer beruflichen Selbstverwaltung und
der berufspolitischen Interessenvertretung.
3. Wie sollte aus Ihrer Sicht mit den Themen Vergabe und HOAI zukünftig umgegangen werden?
Die aktuelle VgV-Vergabepraxis ist für die bietenden Planungsbüros mit großen Aufwendungen verbunden, die nicht selten in sehr ungünstigem Verhältnis zum
Projektvolumen stehen – insbesondere wenn der EU-Schwellenwert nicht deutlich überschritten wird.
Zudem bindet die fachliche Angebotsbearbeitung in erheblichem Maße auch technische Kompetenz, die in der Projektbearbeitung produktiver einzusetzen wäre.
Insofern plädiere ich für eine effizientere Gestaltung der Vergabeverfahren, die es Planenden und Bauherren erlaubt, den Fokus verstärkt auf die Verwirklichung der Maßnahmen
zu richten. Mit Blick auf den bereits spürbaren und zukünftig noch verstärkten Fachkräftemangel sowie auf die Bewältigung der aus dem Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen
zu erwartenden Aufgaben, wird dies unumgänglich sein. Eine deutliche Anhebung des EU-Schwellenwertes
für Planungs- und Dienstleistungen würde die Anzahl der VgV-pflichtigen Vergabeverfahren reduzieren. Darüber hinaus halte ich nach Projektvolumen gestaffelte Vergabeprozeduren für geboten, um die Verhältnismäßigkeit zwischen
Vergabeaufwendungen und Planungshonoraren zu gewährleisten.
Für Maßnahmen unterhalb des Schwellenwertes kann ich mir effizientere Vergaben durch die breitere Anwendung von Rahmenverträgen oder
Open House Verfahren vorstellen. Auch eine Bündelung kleinerer Maßnahmen zu angemessenen Maßnahmenpaketen würde den Vergabeaufwand
mindern. Insbesondere im ländlich geprägten Raum Thüringens hätte dies sehr positive Effekte.
Kleine Gemeinden könnten ihre Maßnahmen, gegebenenfalls fachlich und organisatorisch unterstützt durch übergeordnete Verwaltungsebenen wie Verwaltungsgemeinschaften, Landkreise oder Landesverwaltungsamt, gebündelt vergeben.
4. Sind Sie der Ansicht, dass im Bauwesen tätige Ingenieurinnen und Ingenieure, die sicherheitsrelevante Planungsdienstleistungen erbringen, Mitglied in der beruflichen Selbstverwaltung sein sollten?
Grundsätzlich ja, denn die Gewährung sicherer Bauwerke und technischer Anlagen ist eine grundlegende gesellschaftliche Erwartung an unseren Berufsstand und zugleich unser eigener Anspruch.
Die an Eignungskriterien geknüpfte Mitgliedschaft ist meines Erachtens ein hervorragender Qualifizierungsnachweis, der zur Ausübung sicherheitsrelevanter Aufgaben legitimieren kann. Die
Formulierung „im Bauwesen tätige Ingenieurinnen und Ingenieure“ umfasst im Übrigen nicht nur die selbständigen Freiberufler, sondern schließt auch
angestellte Ingenieurinnen und Ingenieure ein, insbesondere wenn diese in leitender Funktion mit Weisungsbefugnis gegenüber nachgeordnetem Personal tätig sind.
In diesem Kontext sind verschiedene Aspekte der Sicherheit und deren Würdigung in den Konditionen der Kammermitgliedschaft zu betrachten.
Die technische Sicherheit der Bauwerke und Anlagen, im Sinne von konstruktiver, statischer und brandschutztechnischer Sicherheit wird durch
Planen und Bauen nach aktuellem technischen und gesetzlichen Regelwerk gewährt. Die dafür notwendigen Fachkenntnisse erlangen die Ingenieurinnen und Ingenieure im Studium, festigen
und erweitern diese durch berufsbegleitende Fortbildung und im Zuge der Berufsausübung.
Darüber hinaus müssen wir meines Erachtens auch Sicherheitsanforderungen im Sinne von Prävention vor jeglicher Art fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführter Fehlleistung, Manipulation bis hin zu Sabotage und Spionage in unsere
Betrachtungen einbeziehen. Dieser Aspekt, dem insbesondere bei öffentlich bedeutsamen Bauwerken, wie beispielsweise Veranstaltungs- und Versammlungsräumen oder auch Bauwerken und
technischen Anlagen der Infrastruktur besondere Bedeutung zukommt, richtet sich zusätzlich an die Persönlichkeit der Ingenieurinnen und Ingenieure.
Diese müssen nach ihrer Persönlichkeit Gewähr dafür bieten, dass sie den Aufgaben ihres Berufes gewachsen sind und diese gewissenhaft erfüllen.
Bezüglich der Konditionen für die Kammermitgliedschaft kann ich mir eine Differenzierung nach maßnahmenspezifischen Sicherheitsanforderungen vorstellen. Oder plakativ ausgedrückt:
für Planende im Bereich des privaten Häuschenbaus sind Anerkennungskriterien sicher niederschwelliger anzusetzen als für Kolleginnen und Kollegen, die an komplexen Maßnahmen wie Versammlungsstätten oder Infrastrukturmaßnahmen mitwirken.
5. Welche Bedeutung messen Sie dem Freien Ingenieurberuf und dessen Organisation in der beruflichen Selbstverwaltung zu?
Vor allem unsere unabhängige Beratung, die frei von Liefer- und Leistungserbringung und auf höchstem fachlichen Niveau erbracht wird, bietet unseren privaten und öffentlichen Bauherren die Gewähr
der Wertschöpfung in deren alleinigem Interesse. Insbesondere dieses charakteristische Merkmal ist ein großes Pfund des freien Ingenieurberufes
und muss wieder verstärkt im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft hervorgehoben werden. In diesem Sinne ist die Vertretung unserer gemeinschaftlichen berufsständischen Interessen neben
der Selbstverwaltung die wichtigste Aufgabe der Ingenieurkammern auf Landes- und Bundesebene.