Was sind die Pläne des neuen Vorstands?
Beisitzerin Frau Dipl. -Ing. Architektin Tina Kaiser im Interview
1. Welche Gründe haben Sie bewogen, zu kandidieren?
Für mich stand der Wunsch im Vordergrund, die Zukunft des Ingenieurwesens in all ihren Facetten auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Berufskollegen anderer Fachrichtungen in Thüringen aktiv mitzugestalten und zu stärken. Als langjährig tätige Ingenieurin und Architektin, kenne ich die Herausforderungen, aber auch das große Potenzial unseres Berufes. Die Ingenieurkammer bietet eine wichtige Plattform, um fachliche Positionen zu stärken, junge Kollegen zu fördern und die Sichtbarkeit unserer Leistungen in Politik und Gesellschaft zu er-höhen. Durch mein Engagement im Vorstand möchte ich genau dazu beitragen, mit konstruktiven Ideen, praktischer Erfahrung und dem festen Willen, die Interessen unserer Mitglieder wirksam zu vertreten.
2. Welche Themen sind Ihnen bei der Ausübung des Ehrenamtes besonders wichtig? Welche Impulse möchten Sie in der Vorstandsarbeit setzen?
Ein zentrales Anliegen ist für mich die Nachwuchsförderung. Wir brauchen mehr junge Menschen, die sich für technische Berufe begeistern und sich für das Ingenieurwesen entscheiden. Dafür müssen wir die Attraktivität des Berufsbildes stärker nach außen tragen und praxisnahe Bildungsangebote unterstützen. Gleichzeitig ist es mir wichtig, Brücken zwischen verschiedenen Fachbereichen zu bauen, um voneinander zu lernen und Synergien zu nutzen. Bauen geht nur gemeinsam und im Team. Auch die Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen in den Planungs- und Bauprozessen sehe ich als ein strategisch relevantes Thema, dem wir als Kammer mit Orientierung und fachlicher Unterstützung begegnen sollten. Durch meine Mitarbeit in den verschiedenen Gremien der Bundesingenieurkammer möchte ich dem Berufsstand und der Kammer die entsprechenden Impulse geben. Die Vielfalt unserer Bürostrukturen in Thüringen soll auch zukünftig erhalten bleiben, hierzu leistet die Digitalisierung einen wesentlichen Beitrag.
3. Wie sollte aus Ihrer Sicht mit den Themen Vergabe und HOAI zukünftig umgegangen werden?
Die HOAI bildet nach wie vor eine wichtige Grundlage für Qualität, Transparenz und einen fairen Wettbewerb in der Planung. Auch wenn sie rechtlich nicht mehr verbindlich ist, bleibt sie für mich ein unverzichtbares Orientierungsinstrument zur Sicherung angemessener Honorare. Im Bereich der Vergabe halte ich es für dringend notwendig, den Fokus stärker auf Qualität und Fachkompetenz zu legen, nicht allein auf den Preis. Planungsleistungen sind komplexe, kreative und verantwortungsvolle Aufgaben, die nicht durch reinen Kostendruck bewertet werden dürfen. Deshalb setze ich mich für eine Stärkung der fachlichen Wertungskriterien vor allem im Austausch mit öffentlichen Auftraggebern ein. Vor allem bei Bauvorhaben, die sich mit Nachverdichtung von Flächen, Sanierung- oder Umnutzung von Bestandsobjekten befassen, sind die individuellen Planungslösungen gefragt. Hierzu bedarf es der Fachkompetenz und der Berufserfahrung der einzelnen Fachgebiete und deren kollegialer Zusammenarbeit. Denn nur so können wir langfristig die Qualität der gebauten Umwelt und die Attraktivität unseres Berufes sichern.
4. Sind Sie der Ansicht, dass im Bauwesen tätige Ingenieurinnen und Ingenieure, die sicherheitsrelevante Planungsdienstleistungen erbringen, Mitglied in der beruflichen Selbstverwaltung sein sollten?
Ja, ganz klar. Wer sicherheitsrelevante Planungsdienstleistungen im Bauwesen erbringt, trägt eine hohe Verantwortung für Menschenleben und Sachwerte. Diese Verantwortung erfordert nicht nur fachliche Qualifikation, sondern auch die Einbindung in eine berufliche Selbstverwaltung, die Qualität, Integrität und Weiterbildung sichert. Die Kammer stellt dabei ein bewährtes System der fachlichen Kontrolle und kollegialen Unterstützung dar. Sie gewährleistet einheitliche Standards, sorgt für Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und bietet ein Forum für den Austausch zur aktuellen technischen und rechtlichen Entwicklung. Aus meiner Sicht ist die Pflichtmitgliedschaft in solchen Fällen nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig, um Sicherheit und Verlässlichkeit im Bauwesen dauerhaft zu gewährleisten.
5. Welche Bedeutung messen Sie dem Freien Ingenieurberuf und dessen Organisation in der beruflichen Selbstverwaltung zu?
Der Freie Ingenieurberuf ist ein tragender Pfeiler einer unabhängigen, verantwortungsbewussten und qualitativ hochwertigen Planungskultur. Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Einzelinteressen und das Handeln im Sinne des Gemeinwohls zeichnen den Beruf aus. Gerade in Zeiten mit zunehmender Komplexität und gesellschaftlichen Anforderungen wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung oder Digitalisierung ist dies von besonderer Bedeutung. Die berufliche Selbstverwaltung ist dabei ein zentrales Instrument, um diese Werte zu bewahren und weiterzuentwickeln. Sie steht für Eigenverantwortung, fachliche Exzellenz und demokratische Mitgestaltung. Die Kammer gibt den Freien Ingenieuren eine starke Stimme, gegenüber Politik, Verwaltung und Gesellschaft und sorgt gleichzeitig für hohe Qualitätsstandards.
6. Sonstiges
Ich bin in einer Ingenieurfamilie aufgewachsen, technische Themen, präzises Denken und konstruktives Arbeiten waren für mich von klein auf Teil des Alltags. Früh habe ich dabei das Spannungsfeld zwischen Architektur und Ingenieurwesen kennengelernt: unterschiedliche Herangehensweisen, verschiedene Sprachen – aber ein gemeinsames Ziel.
Die wichtigste Erkenntnis aus meinem bisherigen Berufsweg ist: Die komplexen Aufgaben des zukünftigen Bauens – sei es im Kontext von Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder gesellschaftlichem Wandel – lassen sich nur gemeinsam lösen. Ingenieure sowie Architekten müssen ihre Perspektiven bündeln, um tragfähige und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Dieses Miteinander ist mir ein persönliches Anliegen und der Grund, weshalb ich mich in der Kammer engagiere.







