Was sind die Pläne des neuen Vorstands?
Im zweiten Teil unserer Serie beschreiben die Vizepräsidenten im Interview, welche Herausforderungen sie sehen und wie sie gemeistert werden können.
1. Welche Gründe haben Sie bewogen, zu kandidieren?
Mich zur Wahl des Vizepräsidenten zu stellen hat vor allem berufspolitische Gründe.Als selbstständiger Ingenieur habe ich 35 Jahre Erfahrungen mit Behörden, Ämtern und dem ganz normalen Wahnsinn der täglichen Bürokratie gesammelt.
Die berufsständische Vertretung der Kammern sichert uns Selbstständige vor zu sehr ausufernder Bevormundung durch den Staat. Diese Selbstverwaltung zu ermöglichen
und gegen die Vereinnahmung durch die Beamten zu sichern, heißt aber auch, es muss Kollegen geben, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen.
Nur meckern und kritisieren hilft nicht, man muss mitmachen und sich einbringen.Ich bin seit 2023 Landesvorsitzender des Verbandes Beratender Ingenieur Thüringer, der Interessenvertretung der
selbstständigen Bauingenieure. Der VBI ist bundesweit einer der größten Interessenverbände der Ingenieure.Der VBI ist Mitbegründer des AHO, der wesentlich an der
Gestaltung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure beteiligt war und ist. Aus der ehrenamtlichen Arbeit des VBI weiß ich, wie schwierig es geworden ist die Interessen des Berufsstandes zu vertreten. Die Mitarbeit in der
Kammer als Körperschaft öffentlichen Rechts ist eine wichtige Aufgabe der Interessenvertretung, da ist es logisch, dass wir uns hier einbringen.
2. Welche Themen sind Ihnen bei der Ausübung des Ehrenamtes besonders wichtig? Welche Impulse möchten Sie in der Vorstandsarbeit setzen?
Das wichtigste Thema ist natürlich die faire Bezahlung unserer Ingenieurleistungen. Bereits 2015 habe ich im Rahmen der Kammervertretung beim Thüringer Ministerium
für Landwirtschaft und Infrastruktur bei der Erstellung einer Honorarrichtlinie mitgewirkt. Damals wurden Stundensätze von 85,- €/h für den AN festgeschrieben, seit 19. Juli 2024
lautet die Empfehlung 100,- €/h für den AN. Man kann sicherlich darüber streiten, ob diese Sätze ausreichend sind, aber es ist erst einmal ein Stundensatz, den ein Thüringer
Ministerium für angemessen erklärt hat. Solche Regelungen gibt es leider nur wenige. Es müssen mehr werden, dafür will ich mich gern einsetzen.
Impulse in der Vorstandsarbeit möchte ich vor allem in dieser Richtung setzen, dem fairen Umgang des öffentlichen Auftraggebers mit seinen Planungsbüros.
Leider hat man vor ca. 15 Jahren begonnen zu glauben, dass Ingenieurleistungen im Discountprinzip zu haben sind. Daran
sind wir teilweise auch selbst schuld. In Krisensituationen hat mancher Kollege geglaubt, sich mit Dumpingpreisen über Wasser halten zu können. In manchen Situationen sicherlich verständlich, aber am
Ende des Tages hat es sich bitter gerächt. Wer stolz auf seine Arbeit ist, der macht auch einen guten Job, der darf aber auch eine anständige Bezahlung verlangen.
Selbstständige Ingenieure sind Leistungsträger dieser Gesellschaft, die keine 40 Stundenwoche haben, sich keine 30 Tage Urlaub (möglichst am Stück) gönnen, sich keinen 14 %igen
Krankenstand leisten, meist noch nicht einmal Krankengeld beziehen, kein gesichertes Einkommen beanspruchen können und dazu noch mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen haften.
Das sollte man jedem, der all die genannten Privilegien der Arbeit für sich beansprucht auch unmissverständlich sagen dürfen.
3. Wie sollte aus Ihrer Sicht mit den Themen Vergabe und HOAI zukünftig umgegangen werden?
Die HOAI wurde in den 1970er Jahren geschaffen, um die Baupreissteigerung zu begrenzen. Nicht die Ingenieure
wollten die HOAI, sondern der Staat. Diese Honorarordnungen gibt es in verschiedenster Form auch für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte u.a. Berufsgruppen. Doch bei keiner
Berufsgruppe ziert sich der Staat so sehr bei der Reformierung, wie bei der HOAI.
Die Überarbeitung der Honorarordnung durch das Bundeswirtschaftsministerium hat sich zu einem immer trägeren Prozess entwickelt.
Da jeder eine andere Sicht auf die Dinge hat, möchte ich nicht in den Fettnapf treten. Wenn die HOAI nicht mehr verbindlich sein soll, dann könnte man auch überlegen, es
so zu regeln wie in anderen EU-Staaten, dort erlassen die Kammern die Honorarregelungen als Richtlinie. Dann würde wenigstens Bewegung in den Prozess kommen. Vielleicht
kann dann der Berufsstand bessere Rahmenbedingungen vorgeben.Ich freue mich schon jetzt auf die vielen kritischen Anmerkungen dazu aus dem Berufsstand.
Die VOB zur Vergabe von Bauleistungen ist eigentlich ein erprobtes und rechtssicheres Regelwerk. Umfangreich, aber
überwiegend rechtssicher. Es bedurfte nur eines Thüringer Politik-Importes, um alles Regelwerk ad absurdum zu führen.Die in das Vergabegesetz aufgenommenen Regelungen
sind so schwammig, dass ein mit der Auswertung der Vergabe Beauftragte immer mit einem Bein in der Haftungsfalle sitzt.
Das Gutachten zur Evaluierung des Thüringer Vergabegesetzes hat ein vernichtendes Urteil gefällt. Eine Vergabe nach VOB bedarf im Durchschnitt eines Aufwandes von etwa
59 Stunden, eine Vergabe nach Thüringer Vergabegesetz 81 Stunden. Ingenieure sollten jetzt eigentlich im Kopf hochrechnen können, welche Manpower für 10.000de Vergaben
Pro Jahr erforderlich ist, um diesen Unsinn in die Tat umzusetzen. Mein klarer Standpunkt dazu, die VOB reicht völlig aus, das
Thüringer Vergabegesetz ist völlig unnütz.Die Vergabe von Planungsleistungen wird von jedem Auftraggeber anders durchgeführt. Für die Vergabe unterhalb
der Schwellenwerte gibt es keine einheitlichen Regelungen. Vor allem aber fehlen die Transparenz, die Rechtssicherheit und die Möglichkeit des Einspruches.
Hier besteht enormer Handlungsbedarf. Wenn schon Ausschreibung sein soll, dann muss es auch fair und transparent zugehen. Das ist leider nur selten der Fall.
4. Sind Sie der Ansicht, dass im Bauwesen tätige Ingenieurinnen und Ingenieure, die sicherheitsrelevante Planungsdienstleistungen erbringen, Mitglied in der beruflichen Selbstverwaltung sein sollten?
Die Aufsichtsbehörde spricht hier immer von Zwangsmitgliedschaft. In der Kammer nennen wir es Pflichtmitgliedschaft.Wer das Recht hat, sich im Beruf selbstständig zu machen,
der sollte auch Pflichten haben, die Pflicht seine Eignung in der Kammer nachzuweisen und sich eintragen zu lassen.
Auch die Weiterbildungspflicht sollte für jeden Ingenieur selbstverständlich sein.
5. Welche Bedeutung messen Sie dem Freien Ingenieurberuf und dessen Organisation in der beruflichen Selbstverwaltung zu?
Die Freien Berufe sind die fleißigen Heinzelmännchen unserer Gesellschaft.
„Wie war zu Köln es doch vordem, mit Heinzelmännchen so bequem.“ (Dichter August Kopisch) Wie das ganze ausging, wissen wir auch, es wurde übertrieben und am Ende musste jeder seine Arbeit selbst machen.
Freie Berufe sind die kleinste Struktur der Selbstständigkeit, des Unternehmertums. Wenn die Politik davon redet, dass es mehr Unternehmertum geben muss, dann wäre doch die
Unterstützung der Freiberuflichkeit selbstverständlich.Daran muss man die Politiker wohl noch öfter erinnern.
6. sonstiges…
Im November letzten Jahres rief mich eine Kollegin an und fragte, warum die Kammer es zugelassen hat, dass der „Genderwahn“ in die Bauordnung übernommen wurde.
Eine andere Kollegin sagte mir, sie wolle keine Ingenieurin sein, sondern ein Ingenieur, das sei für sie Gleichberechtigung. Ich bin mir sicher, dass alle männlichen Ingenieure
unsere weiblichen Ingenieure sehr hoch schätzen. Sie sind auf den Baustellen, wie auch in den Ämtern präsent, ohne Sie würde die Arbeit keinen Spaß machen.
Mit einer Sprachverstümmelung würdigt man nicht die Leistungen unserer Frauen.