Foto: Michael Voigt
Nach sechs Auslobungen durch die Ingenieurkammer Thüringen hat die Regierung des Freistaates den Ingenieurpreis 2009 in den Rang eines Staatspreises erhoben. Eine namhafte Jury sprach am 28.10.2009 Prof. Dr.sc.techn. Josef Trabert den Staatspreis zu. Darüber hinaus wurden zwei Anerkennungen vergeben.
Dass sich der Freistaat Thüringen entschlossen hat, den Thüringer Ingenieurpreis 2009 erstmals als Staatspreis auszuloben, ist eine Anerkennung der langjährigen konzentrierten Arbeit der IKT. Die Ingenieurkammer hat diesen Staatspreis von Anfang an mit ihren organisatorischen Erfahrungen und einem finanziellen Beitrag begleitet, der nächste Staatspreis liegt dann allein in der Hand des zuständigen Ministeriums. Der Wettbewerb war für Mitglieder der IKT und Mitglieder der Thüringer Ingenieurverbände und -vereine offen. Insgesamt wurden acht Arbeiten eingereicht, die alle ein angemessenes Niveau erreichten und von der Vorprüfung zur Jurysitzung zugelassen wurden.
Die Jury setzte sich aus namhaften Fachleuten zusammen: Frau Dipl.-Ing. Sabine Doht (SPD-MdL), Dr.-Ing. Klaus Göbel (Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Medien), Prof. Hans-Ulrich Mönnig (Präsident IKT), Prof. Hans-Joachim Bargstädt (Bauhaus-Universität Weimar), Prof. Jürgen Ruth (Bauhaus-Universität Weimar) – Vorsitzender der Jury-, Prof. Ralf Lippomann (FH Erfurt), Herr Dipl.-Ing. Raimund Lehmann (Vizepräsident IHK Erfurt), Dr. Günter Hartmann (Vorsitzender VIIT) und Dipl.-Ing. Gunter Lencer (1. Vizepräsident IKT). Die Jury konnte ihre Arbeit nach einer ausführlichen Einführung in die Materie durch die Vorprüfer zügig gestalten.
Der Staatspreis 2009 geht an das Planungsbüro Trabert+Partner aus Geisa in der Rhön, vertreten durch Prof. Dr.sc.techn. Josef Trabert, für die Überbauung des OP-Traktes im Kreiskrankenhaus Schmalkalden. Die Jury begründete ihre Entscheidung u.a. wie folgt:
„Das Tragwerk besteht aus einem System von Längswandscheiben, die im Abstand von 37 Metern ihre Lasten auf Querwände, die neben dem Bestandsgebäude errichtet sind, eintragen. In einer Verbindung aus hoch innovativen Stahltragwerkscheiben und einer das Bestandsgebäude überspannenden Überzugskonstruktion ist eine technische Lösung verwirklicht worden, deren systematische Weiterverwendung bei ähnlichen Ingenieuraufgaben im Bestand möglich ist. Die Jury wertet die Baumaßnahme als beispielhafte ingenieurtechnische Leistung, insbesondere vor dem Hintergrund des laufenden OP-Betriebes. Durch die kreative Tragwerkskonstruktion konnte die sonst notwendige Verlagerung der OP-Bereiche bzw. die Einstellung des Operationsbetriebs vermieden werden. Darüber hinaus traten im Kreiskrankenhaus Schmalkalden keine Beeinträchtigungen der Sicherheits- und Hygienebedingungen ein, die Bereitstellung dringend notwendiger medizinischer Leistungen für die Bevölkerung und auch die Notfallversorgung konnten ohne Einschränkung aufrechterhalten werden.“
Angesichts der fachlichen Dichte der eingereichten Arbeiten entschloss sich die Jury, neben dem Staatspreis zwei Anerkennungen zu vergeben. Diese gingen an das Ingenieurbüro Thomas Kleb in Erfurt für den Neubau einer Fußgängerbrücke über die Weiße Elster in Gera und an die Kollegen Katrin Seyfarth und Collin Giebson aus dem Team von Prof. Jochen Stark vom F.A. Finger-Institut für Baustoffkunde der Bauhaus-Universität Weimar für ein Verfahren zur Prüfung von Beton-Fahrbahndecken. Beide Anerkennungen sind mit je 2 500.-Euro dotiert. Der neue Thüringer Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr wird den Staatspreis am 27.11.2009 im Rahmen eines Festaktes in der Thüringer Staatskanzlei vergeben.
Die eingereichten Arbeiten spiegeln ohne Ausnahme das anspruchsvolle Niveau der Thüringer Ingenieure wieder, wir brauchen uns mit unserem Können nicht zu verstecken. Dennoch zeigt dieser Wettbewerb einige Defizite auf, über die wir reden müssen. Wir leben und arbeiten in einer Gesellschaft, deren eines Grundprinzip der Wettbewerb ist. Ein wichtiges Wettbewerbselement ist das Marketing. Der Wettbewerb um den Thüringer Staatspreis für Ingenieurleistungen ist ein solches Marketinginstrument, und das exklusiv für Thüringer Ingenieure. Mir fällt eine ganze Reihe von wettbewerbsfähigen Ingenieurleistungen meiner Thüringer KollegInnen ein, nur: zum Wettbewerb wurden sie nicht eingereicht! Nachgefragte Gründe: zu viel Arbeit, keine Zeit, kein Mut zur öffentlichen Präsentation. Ich glaube nicht, dass die am Staatspreis 2009 beteiligten acht Büros mehr Zeit hatten, aber sie gehen nun in einer Ausstellung des Ministeriums durch die Lande und die Staatspreis- Broschüre 2009 wird von der Leistungsfähigkeit der Wettbewerbsteilnehmer künden, was nichts anderes als kostenfreies Marketing darstellt. Wir sollten lernen, unsere Arbeiten selbstbewusster zu präsentieren, da sind uns die Architektenkollegen um Einiges voraus. Es lohnt sich, die eingereichten Arbeiten im Hinblick auf ihr Präsentationsniveau miteinander zu vergleichen und daran die Stärken und Schwächen der eigenen Arbeit zu messen – auch dafür ist der Staatspreis ausgeschrieben.
Mit der Erhebung zum Staatspreis dürfte es, Finanzkrise hin oder her, 2011 zur Auslobung des nächsten Staatspreises für Ingenieurleistungen kommen, die Zwischenjahre überbrückt der Staatspreis für Architektur und Städtebau. Ich möchte Ihnen, meinen langjährigen Kolleginnen und Kollegen ans Herz legen, die Zurückhaltung aufzugeben und sich mit ihrer besten Arbeit am nächsten Staatspreis zu beteiligen. Was ruft der US-amerikanische Präsident Obama seinem Volk immer wieder zu: „Ja, wir können es!“
Prof. Dr.-Ing. habil. Hermann H. Saitz