Seit mehreren Jahren berichtet die Ingenieurkammer Thüringen von der BIMWorld Munich. Auch am 22./23.11.22 haben wir in München den größten BIM-Kongress des Jahres für den DACH-Raum besucht. Beim Kongress konnten über 7.000 Besucherinnen und Besucher registriert werden.Insgesamt berichteten in den ca. 130 Fachvorträgen – verteilt auf 6 Bühnen – Ingenieure, Architekten, Investoren, Betreiber, Vereine, Verbände, Handwerker und Bauunternehmen sowie Vertreter der Bau- und Softwareindustrie von ihren bisherigen Erfahrungen im Umgang mit und der Umsetzung von BIM und den entsprechenden Digitalisierungsprozessen. Dabei wurden die Zukunftsthemen, die die Wertschöpfungskette Bau in den nächsten Jahren begleiten wird und die Anforderungen an die Zusammenarbeit mit den jeweils anderen Beteiligten formuliert und neueste Entwicklungen und Tendenzen aufgezeigt. Dabei stehen nach wie vor die Fragen, wie werden die digitalen Zwillinge erstellt, genutzt und gepflegt, im Mittelpunkt der Themen. Wir, die gesamte Wertschöpfungskette Bau, ist auf einem guten Weg aber noch lange nicht am Ziel angekommen. Auf Grund der hohen Anzahl und der Parallelität der Fachvorträge kann hier nur von einem kleinen Querschnitt der Informationen und Inhalte berichtet werden.
Auch Beratungsunternehmen, die die verschiedenen Unternehmen bei der Implementierung von BIM begleiten, haben Fachvorträge gehalten. Es wurde ausgeführt, dass die einzelnen Beteiligten eines Implementierungsprozesses unterschiedlich angesprochen und auch unterschiedlich motiviert und mitgenommen werden müssen. Es benötigtZeit, Beharrlichkeit und Durchhaltvermögen, Verständnis für die Mitarbeiter, eine positive Fehlerkultur und den Mut, auch wieder einen Schritt zurück zu gehen und neu anzusetzen. BIM braucht eine Allianz der Willigen, ein Kernteam im Unternehmen, welches dann auch Standards festlegt. Sobald nur einzelne Mitarbeiter mit BIM arbeiten, entstehen im Unternehmen Insellösungen. Wenn aus diesen Inselprozessen jedoch neue Prozesse für das Gesamtunternehmen abgeleitet werden, dann kann der Erfolg auch auf andere Prozesse und andere Projekte übertragen werden. Von daher ist es wichtig, eine schrittweise Strategie zu verfolgen, ein übersichtliches Start
projekt mit möglichst wenig Zeitdruck auszuwählen und ein gut gemischtes Kernteam zu etablieren, welches dieses Projekt begleitet. BIM kann eben gerade nicht von einem Praktikanten eingeführt werden, wie es als These eines Fachvortrages formuliert wurde.
Parallel zu den Fachvorträgen präsentierten sich ca. 200 Unternehmen, Vereine und Verbände und es gab Gelegenheit, sich im persönlichen Gespräch über neueste Entwicklungen und Tendenzen zu informieren. Vom kleinen Start-Up Unternehmen bis hin zu den großen bekannten Playern und Software-Herstellern war ein sehr breites Spektrum vertreten. Dies ermöglichte es, sich darüber klar zu werden, wo sich das eigene Unternehmen im Spannungsfeld dieser Entwicklungen befindet. Ein Austausch zu aktuellen eigenen Fragestellungen und vielleicht zu bereits vorhandenen Lösungsansätzen kann erfolgen. Es bietet sich vor allem der Dialog mit Fachkolleginnen und Kollegen, der helfen kann, die nächsten Schritte für das eigene Unternehmen zu planen und vorzubereiten. Eine besonders interessante Plattform möchte ich an dieser Stelle kurz erwähnen. Hier finden sich mehr als 1 Million (herstellerbezogene) Ausschreibungstexte, die ohne Registrierung für jeden frei zugänglich sind. Der Export ist in neun Datenformate möglich, Schnittstellen zu bekannten AVA-Softwareprodukten sind bereits vorhanden. Die Plattform bietet außerdem eine BIM – CAD Datenbank, Bilder/Videos, Datenblätter/ Zertifikate. www.Ausschreiben.de und www.3Dfindit.com – die visuelle Suchmaschine für 3D CAD/BIM Daten – ein Tipp einfach mal zum Stöbern.
Im Bereich der Infrastrukturprojekte scheint die Anwendung von BIM nach wie vor weiter zu sein oder mehr Anwendung zu finden als bei den Hochbauprojekten – dies kann aber auch nur eine Momentaufnahme sein. Dabei gibt es nach wie vor verschiedene Herangehensweisen. BIM-Bearbeitung parallel mit einer klassischen Projektbearbeitung, nur BIM-Planung oder erst die klassische Planung und dann eine nachvollzogene, nachträgliche BIM Planung.
In einem Fachvortrag wurde eine parallele Revisionsplanung mit dem SCAN-2BIM -Verfahren vorgestellt. Die einzelnen vorgefertigten Bauteile wurden mit BIM geplant, auf die Baustelle geliefert und parallel mit dem Baufortschritt mittels SCAN2BIM gescannt, um eine Art BIM-Revisionsplanung -basierend auf dem gebauten Zustand – anzufertigen.
Dies funktioniert allerdings nur mit sichtbaren Elementen.
In einem weiteren Vortrag wurde referiert, wie mit BIM die nachhaltige Nutzung von Baumaterialen über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden betrachtet werden kann. Hierfür ist ein nachhaltiges Datenmanagement notwendig. Stichwort Ökobilanzierung : zukünftig soll es möglich sein, Bauteilen, wie beispielsweise Stahlbetonunterzügen oder Trockenbauwänden, spezifische Daten wie CO2-Verbrauch für Herstellung und Transport oder auch die Kosten für den Rückbau zuzuordnen. Mit Hilfe dieser Daten ist es dann möglich, die Nachhaltigkeit eines Gebäudes – über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – zu berechnen und daraus Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit oder die Ökobilanz zu ziehen. Bisher ist allerdings nur die Betrachtung von neu geplanten Bauteilen sicher erfassbar. Für die Bilanzierung von Bestandsgebäuden und deren Bauteile, die im Detail meist nicht sichtbar oder bekannt sind, gibt es vorerst noch keine praxistauglichen Lösungen.
Im Hochbau gibt es vor allem bei der Kollisionsplanung und der gemeinsamen Planung zwischen den Fachdisziplinen ungelöste Softwareschnittstellenprobleme, die eine durchgängige gemeinsame Bearbeitung (noch) nicht zulassen oder erschweren. Dies betrifft hauptsächlich die Schnittstellen zwischen dem Hochbau und den TGA-Fachplanungen. Aus vielen Fachvorträgen und Gesprächen war die Tendenz zu OpenBIM-Lösungen erkennbar – dies schafft insgesamt mehr Flexibilität in der Nutzung eigener vorhandener Daten-Ressourcen. Der buildingSMART Deutschland e. V. hat am Abend des 1. Kongresstages ein kleines „come together“ veranstaltet. Hier fand ein reger Austausch unter den Fachkolleginnen und Fachkollegen statt.
Die buildingSMART Regionalgruppe Thüringen war dabei durch Alexander Oehler und mich vertreten. In dem Vortrag der buildingSMART ging es vor allem um die Schaffung einer Plattform, in der die Daten einzelner fachspezifischen Gruppen organisiert und verwaltet werden können. Viele Vereine, Verbände und Unternehmen haben bereits BIM-Daten für Ihre Produkte definiert. Nun gilt es, diese zu organisieren, zu strukturieren und zu verwalten. Dies soll mittels bSDD = building smart Data Dictionary = Service für Merkmals-Management und Verteilung ermöglicht werden.
Es stellt sich nach wie vor bei vielen potentiellen Interessenten die Frage : Wie implementiere ich BIM in meinem Unternehmen ? Es gibt viele Wege und nicht den einen richtigen Weg. Viel mehr sind es viele kleine Einzelschritte und Einzelentscheidungen. BIM ist eine Team-Aufgabe. Es ist ein Prozess, der von Erfolgen und Rückschlägen begleitet wird. Jeder Zwischenerfolg ist ein Schritt in die richtige Richtung und kann auch als solcher gefeiert werden. Wichtig ist es, loszulaufen und nicht auf Andere zu warten.
Ich kann jeden nur ermuntern, die BIM-WORLD Munich vom 28-29.11.2023 zu besuchen und die positiven Impulse mitzunehmen.
Tina Kaiser
Vorstandsmitglied Ingenieurkammer
Thüringen