Der in der Vertreterversammlung am 24.10.2024 neu gewählte Kammervorstand hat bei dem traditionell zweitägigen Meinungsaustausch aktuelle berufspolitische Schwerpunktthemen erörtert und sich darüber verständigt, welche Themenbefassungen die berufliche Selbstverwaltung in den kommenden Jahren fokussieren sollte.
In einer lebendigen Gesprächsatmosphäre wurde ein zentrales Problem nahezu aller Länderingenieurkammern diskutiert, das darin besteht, dass nur eine unzulängliche Umsetzung des Berufsrechtsvorbehaltes beim Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure vorliegt. Nur ein Bundesland (Berlin) hat in seinem Kammergesetz die obligatorische Kammermitgliedschaft verankert (planende Ingenieurinnen und Ingenieure im Bauwesen). Im Dialog mit der Thüringer Legislative soll weiter intensiv dafür geworben werden, eine gesetzliche Eintragungspflicht der am Bau beschäftigten Ingenieurinnen und Ingenieure zu realisieren.
Die in den Bundesländern bestehenden (sehr unterschiedlichen) Regelungen zur Berufsausübung und zur Kammermitgliedschaft von am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieuren führen zu nicht unerheblichen praktischen Problemen, zu überbordender Bürokratie, zu Verzögerungen in den Planungs- und Genehmigungsprozessen und gefährden potenziell die Sicherheit von Gebäuden und baulicher Infrastruktur. Der Zustand, dass es in Deutschland noch immer möglich ist, dass jedermann Planungsleistungen erbringen kann, ohne dass er einer Berufsaufsicht untersteht und ohne, dass in allen Bundesländern eine Berufshaftpflichtversicherung vorhanden sein muss, begründet die gemeinsame Zielstellung, einheitliche Pflichtmitgliedschaften für am Bauwesen beteiligte Ingenieurinnen und Ingenieure in den Ingenieurkammern einzuführen und bundesweit einheitliche Anforderungen für die Berufsausübung von am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieuren festzulegen. Die Festschreibung eines entsprechend hohen Qualitätsniveaus ist wichtig, um der Verantwortung der am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure für die Sicherheit von Menschen und bedeutenden Sach- und Vermögenswerten gerecht zu werden.
Vielleicht darf an dieser Stelle auf den banal klingenden Satz „alles hängt mit allem zusammen“, zurückgegriffen werden, denn der Umfang der Pflichtmitgliedschaft hat Auswirkungen auf die Randbedingungen unter denen die berufliche Selbstverwaltung die gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllen muss. Das reicht vom Umfang der Überwachungsmöglichkeiten, die Bau- und Ingenieurkammern der Länder überwachen als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung die Einhaltung wichtiger Standards, bis hin zur Finanzausstattung der Körperschaft öffentlichen Rechts.
Da die Deckung des Finanzbedarfs der Kammer nahezu ausschließlich an Einnahmen durch die jährlichen Mitgliedsbeiträge gebunden ist, besteht ein direkter Zusammenhang zur „Kammergröße“, denn eingetretene Kostensteigerungen, diese waren in den letzten Jahren überaus massiv (Corona-Pandemie mit Wirtschaftskrise, Energiekrise, Ukrainekrieg, Inflation), müssen letztendlich durch die Anpassung der Beiträge an die Gesamtheit der Mitglieder weitergegeben werden, da sich Einnahmen und Ausgaben ausgleichen müssen. Das Kostendeckungsprinzip ist ebenso ein Grundsatz der Finanzplanung wie die Einhaltung des staatlichen Haushaltsrechts, das Gebot der Haushaltswahrheit und das Gebot der Schätzgenauigkeit.
Anfang 2025 fand eine konzertierte Aktion aller Länderkammern im Hinblick auf eine Pflichtverkammerung aller am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure statt, d. h. die zuständigen Landesministerien wurden angeschrieben und entsprechende Unterlagen übermittelt (Bestandteil: „Berliner Erklärung“ der 73. BKV aus dem April 2024). Es geht darum, die politische Ebene für das Thema zu sensibilisieren, denn in der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine länderübergreifend einheitlichen Regelungen, die eine gesetzliche Mitgliedschaft für die am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure vorsehen. Das unterscheidet den Berufsstand deutlich von anderen Freien Berufen, die verpflichtende Kammermitgliedschaften für ihre Berufsträgerinnen und -träger haben, wie zum Beispiel für die ebenfalls planenden Architektinnen und Architekten. Das Fehlen vergleichbarer Regelungen birgt aus Sicht des Berufsstands gerade angesichts zunehmender Herausforderungen, vor denen das Bauwesen steht, erhebliche Nachteile.
Auch zum Stand der HOAI-Novellierung wurde sich verständigt. Das Verfahren ist wegen des „Ampel-Aus“ unterbrochen worden. Der Abschlussbericht des Wirtschaftsgutachtens ist für Ende Januar angekündigt. Das Interesse des Berufsstandes besteht darin, eine zeitnahe Wiederaufnahme des Verfahrens vorzunehmen und dieses ggf. noch 2025 abzuschließen.
Insbesondere im Hinblick auf die Aktivitäten der Stiftung Baukultur Thüringen, Kammerpräsident Elmar Dräger ist Mitglied im Stiftungsrat, soll darauf hingewirkt werden, dass auch ingenieurtechnische Themen angemessen in den Baukultur-dialog aufgenommen werden, denn der „ingenieurtechnische Beitrag“ muss stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt werden.
BIM und Digitalisierung, die Fachkräftesituation, Satzungsneufassungen und mögliche Kooperationen mit anderen Kammern sowie Verbänden und Vereinen waren ebenfalls Themen der Vorstandsbefassung der diesjährigen Klausur.