Am 21.02.2024 führte der Arbeitskreis Wettbewerb und Vergabe der Ingenieurkammer Thüringen seine erste Sitzung im Kalenderjahr 2024 durch.
Ein zentrales Thema war die Änderung der Vergabeordnung, denn am 23.08.2023 ist die Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen, verkündet worden und entsprechend Artikel 5 am 24.08.2023 in Kraft getreten. Damit erfolgte auch die Streichung von § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV und der bisherigen Regelung zur Auftragswertberechnung bei (gleichartigen) Planungsleistungen. Die geänderte Vergabepraxis führt dazu, dass bereits Planungsleistungen ab einem Baukostenumfang von ca. 1,1 Millionen Euro europaweit auszuschreiben sind (Anteil der Planungskosten wird in der Regel mit etwa 20 Prozent veranschlagt). Entsprechend besteht das Erfordernis, dass Vergabestellen Planungsaufträge europaweit auszuschreiben haben, sofern die Gesamtsumme aller voraussichtlichen Planungshonorare den Wert von (aktuell) 221.000 Euro übersteigt.
Da bei einer Zusammenrechnung aller Planungshonorare sehr viele Projekte betroffen sein werden, sind die Vergabestellen, insbesondere auf kommunaler Seite, stark gefordert, ohne einen konkreten Mehrwert in Form eines größeren Wettbewerbs zu erzielen.
In diesem Kontext darf vielleicht auch auf einen Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zum öffentlichen Auftragswesen hingewiesen werden, der zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den letzten zehn Jahren in der gesamten EU deutlich zurückgegangen sei, denn zwischen 2011 und 2021 haben immer weniger Unternehmen an Vergabeverfahren teilgenommen. Mit der Reform der EU-Vergaberichtlinien von 2014 sei es demzufolge nicht gelungen, die öffentlichen Vergabeverfahren attraktiver zu machen. Vielmehr erweise sich sogar das Gegenteil als zutreffend: Bieter und öffentliche Auftraggeber seien der Ansicht, dass die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach wie vor mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden seien.
Das zentrale Thema Honorierung von Ingenieurdienstleistungen wurde ebenfalls erörtert. Es wurde eingeschätzt, dass die Honorierungsmöglichkeiten letztendlich auch ein Aspekt sind, der die öffentliche Wahrnehmung des Berufsstandes beeinflusst. Im Hinblick auf die Gewinnung von Ingenieurnachwuchs ist das mit der Berufstätigkeit erzielbare „Gehalt“ keinesfalls als nachrangig anzusehen, d. h. die Entscheidung für den Ingenieurberuf kann dadurch erschwert werden, dass die Entlohnungsmöglichkeiten als vergleichsweise moderat einzuordnen sind (Vergleich mit anderen Berufsgruppen, z. B.: Mediziner, Anwälte, Steuerberater).
Der Befund, dass die Stundenverrechnungssätze der öffentlichen Hand als Indikator dafür angesehen werden können, welchen „Stellenwert“ Ingenieurdienstleistungen in der Gesellschaft (noch) einnehmen, kann sicherlich nicht von der Hand gewiesen werden. Diese Einordnung ist auch auf zugestandene Honorarzonen übertragbar.
Im Jahr 2023 haben die Architektenkammer Thüringen und die Ingenieurkammer Thüringen gemeinsam den Thüringer Vergabetag unter dem Motto „Die Vergabe von Planungsleistungen in der Praxis“ durchgeführt. Es wird angestrebt, das Veranstaltungsformat fortzusetzen, um über aktuelle Herausforderungen für Wettbewerbe und Vergaben zu informieren. Insbesondere die Möglichkeit, dass sich Auftraggeber und Auftragnehmer sowohl in offener Diskussion als auch im persönlichen Gespräch austauschen können, wird als zweckmäßig angesehen. Bei der inhaltlichen Ausrichtung der Folgeveranstaltung soll der Bereich „Praxiserfahrungen“ weiterhin einen angemessenen Stellenwert aufweisen.