In einem Gespräch mit der Autobahn GmbH des Bundes hatten der Präsident und der Geschäftsführer der beruflichen Selbstverwaltung Thüringer Ingenieurinnen und Ingenieure am 20. Juni 2022 Gelegenheit, einige Themen zu diskutieren, die mit dem Übergang der Verantwortung für die Verwaltung der Autobahnen in Deutschland von den Ländern an den Bund zum 1. Januar 2021 in Zusammenhang stehen. Als Vertreter der Autobahn GmbH des Bundes nahmen Dr. Danko Knothe, Leiter der Außenstelle Erfurt, Wilfried König, Leiter der Abteilung Bauwerksmanagement der Niederlassung Ost, und Thomas Hörl, Geschäftsbereichsleiter Bau und Erhaltung der Außenstelle Erfurt teil.
Die Außenstelle Erfurt der Autobahn GmbH des Bundes hat seit 1.1.2021 ihren Sitz in der Gustav-Weißkopf-Straße 4 in Erfurt und ist für knapp 520 Autobahnkilometer in Thüringen verantwortlich. Seit 1. März 2022 leitet Dr. Knothe die Außenstelle, die rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat. Er ist Nachfolger von Andreas Trenkel, der nunmehr die Niederlassung Ost als Direktor führt.
Es kam nicht überraschend, dass bereits zu Beginn des Gespräches das Fachkräftethema aufgerufen wurde, denn der Aufbau der Gesellschaft geht mit einem entsprechenden Bedarf an qualifiziertem Personal einher, der zunehmend schwieriger zu decken ist. Die Sicherstellung der personellen Ausstattung wird u.a. dadurch befördert, dass die Bundesgesellschaft als größter Infrastrukturanbieter Deutschlands ein eigenes, attraktives Tarifvertragswerk vorhält (gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West) und dadurch ggf. Vorteile bei der Gewinnung von Fachkräften beim bundesweiten Recruiting gegenüber Mitbewerbern bestehen.
Im Hinblick auf die Gewinnung zukünftiger Fachkräfte bestand Übereinstimmung in der Einschätzung, dass bei der Jugend das Interesse zur Ergreifung des Ingenieurberufs eher zurückhaltend ausgeprägt ist und deshalb das Engagement im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit weiter verstärkt werden muss. Überdies ist festzustellen, dass das Verständnis für die durchaus abwechslungsreichen und herausfordernden Tätigkeitsprofile, die im Infrastrukturbereich zu besetzen sind, ausbaufähig ist. Es besteht demzufolge die Herausforderung, intensiver über ingenieurtechnische Anwendungsmöglichkeiten und MINT-Sachverhalte zu informieren. Dabei können auch die Thüringer Autobahnen mit ihren Ingenieursbauwerken einen wichtigen Beitrag leisten.
Im Hinblick auf Thüringer Bildungseinrichtungen, die Bachelor- und Master-Studiengänge in relevanten Fachrichtungen anbieten, wurde eingeordnet, dass die Absolventenanzahlen weitaus zu gering sind, um die Anzahl der freien bzw. freiwerdenden Arbeitsstellen zu besetzen.
Seit der Wende erfolgten der Neu- und Ausbau der Autobahnen im Niederlassungsgebiet Ost. Nach nunmehr 30 Jahren Nutzungsdauer muss sukzessive der Erhaltungsprozess einsetzen, ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Brückenbauwerken. Es handelt sich um eine dauerhafte Erhaltungsaufgabe, die aber bei weitem noch nicht das Ausmaß wie in den Alt-Bundesländern erreicht hat.
Dr. Knothe umreißt die aktuellen Herausforderungen so: „Auch im Jahr 2022 werden im Freistaat zahlreiche Bauprojekte und zukunftsweisende Projekte umgesetzt. Neben vier größeren Erhaltungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von circa 50 Millionen Euro stehen vor allem die Bauwerke im Mittelpunkt. Die Thüringer Autobahntunnel werden beispielsweise in diesem Jahr in allen Röhren mit einer neuartigen Falschfahrererkennung ausgestattet, womit die Verkehrssicherheit weiter erhöht wird. Außerdem wird die kontinuierliche Überwachung unserer Autobahnbrücken fortgesetzt, damit auch in diesem Jahr ein großes Ziel erreicht werden kann: Der Verkehr rollt flüssig und sicher auf intakten Autobahnen in Thüringen.“
An der Bewältigung der Infrastrukturaufgaben arbeiten auch Thüringer Ingenieurbüros mit. Da seit 1991 Thüringer Ingenieurbüros in die Bauwerksprüfung im Freistaat einbezogen sind, hat sich eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt, deren Fortsetzung im Interesse der Autobahn GmbH liegt.
Es ist plausibel, dass in den vergangenen drei Jahrzehnten viele Büroinhaber „in die Jahre“ gekommen sind und das Thema „Büronachfolge“ an Bedeutung gewinnt. Erfolgreiche Bürofortführungen sind jedoch nicht einfach zu gestalten, nicht zuletzt da es sich vorrangig um kleine bzw. sehr kleine Bürogrößen handelt, die eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger suchen. Diese kleinteilige Struktur auf der Seite der Auftragnehmer steht auch in Wechselwirkung mit den ausgeschriebenen Aufträgen, d. h. sehr große Vertragsumfänge sind eher nachteilig für kleinere Büros.
Der Start der Autobahn GmbH des Bundes hat in Mitteldeutschland eine fachlich und technisch pragmatische Herangehensweise über Ländergrenzen hinweg ermöglicht. Es ist eine große Dynamik bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten realisierbar und die Autobahn GmbH des Bundes ist optimistisch, ihr Bau- und Erhaltungsprogramm zeitkonform und erfolgreich absolvieren zu können. Die Fusionierung zur Autobahn GmbH eröffnet zweifellos Synchronisierungspotentiale, deren konsequente Nutzung einen Effektivitätszuwachs nach sich ziehen sollten. Die stabile Finanzausstattung trägt außerdem dazu bei, Bauabläufe und Verkehrsleistung auf einem hohen Niveau zu halten und entsprechende Planungs- bzw. Prüfaufträge an Ingenieurbüros zu vergeben. In diesem Zusammenhang ist ein angemessener Planungsvorlauf nicht unwesentlich.
Durch die Vertreter der Autobahn GmbH des Bundes wurde auch auf die zeitliche Einordnung der Abrechnungsprozesse hingewiesen, d. h. Ingenieurbüros sollten nicht über unangemessene Zeitabschnitte in Vorleistung gehen und eine „Bankfunktion“ übernehmen.
Präsident Dräger ordnete am Ende des Meinungsaustausches ein: „Die berufliche Selbstverwaltung ist überzeugt davon, dass nur mit einer leistungsfähigen Planerlandschaft die zukünftigen Aufgaben zu bewältigen sind, was wiederum den Erhalt der mittelständisch geprägten Struktur voraussetzt. Zudem hat sich die Wertschöpfungskette Bau in den Pandemiejahren äußerst robust gezeigt, d. h. der Baubereich ist ein stabilisierender Wirtschaftsfaktor.“
Es wurde übereingekommen, den konstruktiven, partnerschaftlichen Dialog fortzusetzen.
Foto: Dr. Danko Knothe (Bildmitte), Kammerpräsident Dipl.-Ing. Elmar Dräger (2. v. l.), Herr Wilfried König (re.), Herr Thomas Hörl (2. v. r.) und Dr. Rico Löbig (li.)
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